Wo ein Wille, da kein Müll: Anleitung für nachhaltige Cocktails
Siehst Du auch wie Bars aus aller Welt sich nachhaltige und müllfreie Praktiken aneignen? Würdest Du mit Deiner Bar auch gerne einen Beitrag zum Umweltschutzleisten? Könntest Du dafür ein paar Inspirationen gebrauchen? Dann lies jetzt unbedingt weiter! Andy Ferreira, der erfahrene Mixologe und Bar-Manager des Cask Cork, das einige echt beeindruckende Sustainable Serves zubieten hat, gibt einen Einblick in das Kreieren innovativer und nachhaltiger Cocktails, die aus besten regionalen Zutaten bestehen.

WOHER KOMMMT DEINE LEIDENSCHAFT FÜR NACHHALTIGKEIT?
Vor der Eröffnung des Cask im Jahr 2017 habe ich fünf Jahre lang in der Bartending-Schule einer namhaften irischen Marke gearbeitet. Einige der besten Bartender:innen der Welt wurden in die südliche Hafenstadt Cork gebracht, um dort die irische Gastfreundlichkeit aufzusaugen. Wir verbrachten einen Tag im Ballymaloe House, erkundeten die riesigen, von Mauern umgebenen Gärten und lernten viel über heimische Zutaten und wie sie sich zu unglaublichen Cocktails verarbeiten lassen. Für alle, die nicht von diesem schönen Flecken Erde stammen: Ballymaloe ist Bauernhof, Hotel und Restaurant in einem und gilt seit langer Zeit als Epizentrum der Irischen Küche. Zusammen mit anderen Köch:innen und Produzent:innen aus Orten wie Kinsale in West Cork, begründete das Ballymaloe den Aufstieg Corks zur kulinarischen Hauptstadt Irlands.
Es war immer eines meiner Ziele, eine Bar aufzumachen, die diese Art der Cocktailkreation hochhält. Eine, die den Fokus auf regionale und saisonale Zutaten richtet und daraus großartige Cocktails und spannende, innovative Menüs entstehen lässt. In Cask gehen Saisonalität und Nachhaltigkeit Hand in Hand, es wird genutzt, was gerade verfügbar ist, wodurch sich die Verschwendung auf ein Minimum reduziert.

VON HIER, FÜR HIER: DAS MANTRA VON CASK
In Irland ist es wahrscheinlicher, dass Du eine japanische Yuzu auf der Cocktailkarte findest als einen irischen Apfel. Wir haben uns eine einfache Regel auferlegt, an der wir seit 17 Menüs festhalten: alle Zutaten müssen in Irland angebaut und hergestellt werden, mit Ausnahmen der Basisspirituosen und Modifiers, wobei regionale Produkte auch hier immer den Vorzug erhalten. Wir verwenden keine Zitrus- und keine tropischen Früchte, alles was eingeflogen werden muss, haben wir von den Karten gestrichen – sorry not sorry! Das hilft erfreulicherweise dabei Flugmeilen und den CO2-Fußabdruck zu verringern, es geht uns aber vor allem darum, eine Verbindung zu unseren heimischen Zutaten und Betrieben aufzubauen und zu festigen. In Folge dessen wurden wir schnell für die kreativste und innovativste Barkarte des Landes bekannt.
DEIN KLEINER BEITRAG ZU EINER GLOBALEN ANGELEGENHEIT
Nachhaltigkeit ist ein gewaltiges globales Thema, das mittlerweile in so gut wie jedem Unternehmensmanifest Einzug erhalten hat – von weltweit agierenden Banken bis hin zu kleinen Betrieben. Die Gastro-Branche bildet da keine Ausnahme und wir beobachten ein steigendes Bewusstsein für diese Problematik. Destillerien investieren Unsummen, um ihre Produktion nachhaltiger aufzustellen und am anderen Ende werden die Bars immer gewissenhafter betrieben, die Nachhaltigkeitsfrage wird immer häufiger gestellt. Wir behaupten nicht, eine Zero Waste Bar zu sein, aber seit unserer Eröffnung 2017 haben wir Arbeitsprozesse eingeführt und verfeinert, die sicherstellen, dass wir unseren Teil zu diesem umfangreichen globalen Anliegen beitragen.

WAS GENAU MACHT EINEN COCKTAIL NACHHALTIG?
Idealerweise ist ein Sustainable Cocktail ein Drink, der mit möglichst wenig Energie müllfrei hergestellt wird und im Einklang mit seiner Umgebung ist. Wenn Bartender:innen Cocktails kreieren, denken sie meist zuerst an die Basisspirituose. Unser Prozess hingegen ist wie folgt:
1. Mache eine Liste von irischen Zutaten, die zu dieser Jahreszeit verfügbar sind.
2. Begib Dich auf die Zutatensuche und connecte Dich mit 1–2 Profis aus unserem Netzwerk.
3. Sammel möglichst viele Proben.
4. Jetzt beginnt der spaßige Teil: wir lassen unserer Kreativität freien Lauf und experimentieren mit den Zutaten.
Grundspirituose und Modifier stammen tendenziell ebenfalls aus Irland und wir probieren dabei so viele Marken wie möglich zu unterstützen. Das Zurückgreifen auf kleine, unabhängige Marken ist der einfachste Weg, um etwas für die Getränke-Branche in der Region zu tun. Wenn Du eine heimische Spirituose einer international bekannten Marke vorziehst, unterstützt Du die lokale Szene und schließt den Kreislauf etwas. In den letzten Jahren explodierte die Anzahl an Destillerien und Produktionsbetrieben förmlich. Neben der herkömmlichen Kategorien haben wir nun auch Zugang zu:
– irischen Weinen auf Beerenbasis
– Wermuts mit lokalen Botanicals
– Met und Poitín
– Portweinen
TOP TIPP: Einen Cocktail zu entwickeln ist wie ein Puzzle aus Geschmäckern, Ausgewogenheit und Originalität zusammenzufügen. Und wir benutzen einfach so viele lokale Puzzleteile wie wir finden.
NIEMAND IST PERFEKT: AUCH MÜLLREDUZIERUNG IST MÜLLVERMEIDUNG
Durch unser Mantra nur irische Zutaten zu benutzen und irische Produzent:innen zu unterstützen, reduzierten wir unseren CO2-Fußabdruck drastisch. Realistischerweise kommst Du um einen kleinen Rest an Müll nicht umher, aber wir bemühen uns wirklich diesen auf ein Minimum zu begrenzen. Zudem ist es wirklich unerlässlich zu kompostieren und dem Boden möglichst viel zurückzugeben, ALLE Nahrungsabfälle zu recyclen ist dabei ein ganz wichtiger Schritt. Wenn Du eine Beere pflückst oder Wildkräuter sammelst, hast Du nur ein sehr begrenztes Zeitfenster, um die Aromen zu extrahieren. Nicht jede Bar hat einen Rotovap (Rotationsverdampfer), um die Aromen zu destillieren – wir ganz sicher nicht – also heißt es, kreativ sein und anfangen Sirups, Shrubs, Sherbets, Fermentiertes oder Getrocknetes herzustellen. All das sind nützliche Methoden, die Abfälle deutlich reduzieren, da alles von den Produkten verbraucht wird. Das Allermindeste ist jedoch, etwaig ungenutzte Reste zu kompostieren. Auch Marmeladen und Eingemachtes sind eine einfache und viel zu selten genutzte Möglichkeit, um Aromen und Zutaten länger zu erhalten.
SHOUTOUT: Wir arbeiten mit einer großartigen Marmeladen-Produzentin namens Mary O'Connell zusammen, die ihre Früchte vorab nochmal zusätzlich anzukurbeln scheint. Vor allem ihre Zwetschgenmarmelade ist uns eine unserer Liebsten. Schau in die Auslage der lokalen Anbieter:innen und finde Deine Favoriten! Hier ist einer der Cocktails, den wir mit Marys fabelhafter Marmelade gemacht haben:
ZURÜCK ZU UNSEREN WURZELN: DAS AUFSPÜREN LECKERER ZUTATEN
Das Stöbern nach Zutaten, anstatt sie einfliegen zu lassen, ist sehr bereichernd, aber je nach Standort Deiner Bar ist das vielleicht nicht umsetzbar oder Du hast Bedenken damit anzufangen. Es gibt einige wirklich wunderbare Bücher, welche die Dos und Don'ts in Deiner Gegend abdecken. Unsere Head-Bartenderin, Linda O'Flynn, hat einen Abschluss in Kräuterkunde, wodurch wir seit Eröffnung der Bar mit außergewöhnlichem Wissen und Leidenschaft gesegnet sind. Linda liegt Nachhaltigkeit wirklich am Herzen und sie brennt dafür im Einklang mit der Natur zu leben und zu arbeiten. Wenn Du draußen keine Zutaten sammeln kannst, versuche selbst Pflanzen anzubauen oder Räume für Hydrokulturen herzurichten. Unterm Strich: alles womit Du Dir Hände schmutzig machst, ist gut. Du wirst wahrscheinlich kein Blockeis aus Regenwasser herstellen wollen, aber Du kannst die Abhängigkeit Deiner Bar von internationalen Inhaltsstoffen verringern. Wir leben in einer Welt, in der wir uns binnen weniger Tage alles direkt vor die Tür liefern lassen können, Expressversand und so weiter und sofort – all das hat aber seinen Preis und der lässt sich vermeiden. Regionale Zutaten zu benutzen kann bei der Kreation günstiger Menüs helfen. Wir sind Jäger:innen und Sammler:innen, also besinnen wir uns auf unsere Wurzeln! In Irland gibt es eine Fülle an Geschmäckern abseits der üblichen Verdächtigen, es wachsen unglaubliche Dinge auf unserer kleinen Insel – lass Dich überraschen!

PRAKTISCH: GLEICHZEITIG GELDBEUTEL UND UMWELT SCHONEN
Viele Bars sind mit ihren Cocktailkarten allzu sehr auf Zitrusfrüchte angewiesen. Mit dem Austausch von nur wenigen Drinks, kannst Du deren Einkaufsmenge reduzieren und lernen wie Du aus weniger mehr machst. Probiere doch zum Beispiel mal Verjus, Essig, Säure oder eine andere heimische Zutat als Alternative. Es gibt jede Menge lokale Inhaltsstoffe, die Deinem Drink eine Säurenote verleihen können, ohne dass sie vorher hunderte Kilometer zurücklegen müssen – schau dafür am besten online nach oder sprich mit den Leuten um Dich herum! Die Jahreszeiten begrenzen Deine Möglichkeiten und geben Dir eine gute Gelegenheit, um mit Landwirt:innen und Produzent:innen aus der Umgebung zusammenzuarbeiten.
NOCHMAL SHOUTOUT: Die Cork Rooftop Farm ist ein fantastischer Ort im Herzen unserer Stadt, an dem tolles Gemüse, Kräuter und Microgreens wachsen. Wir benutzen ihren Bio-Rhabarber und -Sauerampfer in einer Margarita. Killahora Orchards, kurz vor den Toren Stadt gelegen, stellt Cider einen großartigen Apfel-Portwein und einen seltenen Apfel-Eiswein her. Außerdem haben Sie Eukalyptus- und Birnenbäume, von denen wir regelmäßig profitieren.
Die Beziehungen, die wir zu diesen Betrieben aufgebaut haben, sind heute integraler Bestandteil unseres Schaffens.
UNTRADITIONELL TROPISCH
Wenn wir tropische Noten in unseren Drinks haben wollen, liegt die Lösung ganz nahe – teilweise sogar vor der Haustür. Kopfkamille (engl. „pineapple weed“), auch bekannt als Wilde Kamille, wächst hier im Sommer an jeder Ecke und schmeckt unfassbar tropisch. Sogar eine richtig gute Bio-Karotte kann als tropische Zutat durchgehen, wenn sie mit ein paar Säurekombinationen sanft in die Richtung des jeweiligen Wunschdrinks gestoßen wird. Ein Platz auf dem Dach unseres Schwesterrestaurants hat sich als perfekter Spot für einen kleinen Garten entpuppt. Die Lippenblütler haben Aromen im Überfluss, von Schokolade über Ananas bis Grapefruit. Geranien, Pilze, Wildblumen wie Kapuzinerkresse und Ringelblumen, die Liste ist endlos. Denke an die Pflanzen als Ganzes, von der Wurzel bis zur Spitze!

JEDE JAHRESZEIT HAT IHR MENÜ
Alle drei Monate vollführt unsere Barkarte einen saisonalen Salto, der uns jedes mal die Möglichkeit gibt, ein neues Thema zu erarbeiten. Manchmal betont humorvoll mit Augenzwinkern und allerhand Sprachwitz aus der Region, wir hatten auch schon Menüs bei denen die Drinks nach der Hauptzutat benannt wurden und unsere „flüssigen irischen Landschaften“ waren eine Menü-Serie, die die Gäst:innen durch die Destillerien Irlands geführt hat. Wir haben seit Anfang an mit den gleichen Grafikdesigner:innen gearbeitet und sie sind unglaublich darin, unseren Ideen visuell Ausdruck zu verleihen. Die Barkarten sind die Brücke zwischen unsern Kund:innen und den Drinks, die wir servieren. Die Geschmacksbeschreibungen geben nicht nur Hinweise auf den Stil des Drinks, sie sind darüber hinaus zu Drink-Empfehlungen für die Gäst:innen geworden. Die Vorführung dieser lokalen Elemente eignet sich auch hervorragend, um Tourist:innen zu begeistern, die bei uns in der Bar vorbeikommen, den Unterschied merken und uns dann weiterempfehlen.
WEISHEITEN TO GO
- Probiere lokale Marken in Deine Barkarte zu integrieren – das erhöht den Absatz der Betriebe und könnte für sie zum Game Changer werden.
- Kaufe verschiedene Säurungsmittel und experimentiere damit, Citronen- oder Apfelsäure sind zum Beispiel dankbar für den Anfang. Setze sie ein um lokale Zutaten als Alternative für Zitronen zu optimieren.
- Pflanze viele verschiedene Kräuter an. Idealerweise solche, die Du nicht von Deinem Obst- und Gemüselieferunternehmen beziehen kannst. Eisenkraut zum Beispiel!
- Zitrus-Tinktur als Aroma ist ein echter Gewinn und erspart Dir die Zeste in jedem klassischen Cocktail.
- Versuche an die aussortierten Früchte heranzukommen, die es nicht in den Supermarkt geschafft haben. Hässliche Erdbeeren haben einen festen Platz in unseren Sommerkarten und einen ganz besonderen in unseren Herzen!
Empfohlene Inhalte
NACHHALTIGKEIT: EIN PROFITABLES GESCHÄFT FÜR DEINE BAR
Nachhaltigkeit sollte kein flüchtiger Trend sein, sondern dauerhaft Deine Bar prägen – mit kostensparendem Nebeneffekt. Sean Finter, Gründer von Barmetrix, verrät uns Tipps und Tricks, die einen enormen Effekt auf Deine Bar und Dein Personal haben werden.
NACHHALTIGE COCKTAILS – SO REDUZIERST DU VERSCHWENDUNG
Die Welt kann nicht länger das allgemeine Verlangen nach Nachhaltigkeit ignorieren. Und auch die Barbranche kann sich hieran mit einfachen und gut umsetzbaren Techniken beteiligen. Sam Orrocks verrät uns 5 einfache Cocktail-Tipps, die eine Menge bewirken können.
HINTER DEN KULISSEN: WAS NACHHALITGKEIT FÜR DEINE BAR BEDEUTET
Nachhaltigkeit wird immer häufiger in der Bar und der Industrie thematisiert. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit für Dich und Deine Bar und wie könnt Ihr Euch ohne allzu großen Aufwand engagieren? Lauren Maute, Diageo Global Cocktailian, schaut sich die Trends für nachhaltiges Arbeiten genauer an und stellt einfache Möglichkeiten vor, wie auch Ihr nachhaltig in Eurem Betrieb arbeiten könnt.
SO ARBEITEST DU NACHHALTIG IN DEINER BAR
Der Begriff der Nachhaltigkeit ist mittlerweile allgegenwärtig. Wir wollen nicht sagen, dass das schlecht wäre, aber die zu häufige oder falsche Verwendung nimmt dem Begriff etwas von seiner Aussagekraft.