WENIGER IST MEHR – MINIMALISMUS IN DER BAR
Weniger ist mehr – ein Sprichwort, das zur Philosophie geworden ist und unsere Branche immer mehr beeinflusst. Überladene Cocktails und pompöses Gehabe im Service sind hochwertigen Drinks und traditionellen Gastgeberqualitäten gewichen.
Das Three Sheets in Dalston ist ein Highlight in der Londoner Barbranche: Es ist unter den World’s 50 Best Bars gelistet und zeichnet sich in vielerlei Hinsicht durch Minimalismus aus. Wir haben mit Barmanagerin Rosey Mitchell darüber gesprochen, wie Zurückhaltung besseren Service bewirken kann.

EINFACH GENIAL
Im Three Sheets war der Raum selbst die Ursache für den minimalistischen Ansatz. Wir haben sehr wenig Platz, darum mussten wir das meiste aus dem vorhandenen herausholen.
Wir haben uns daher sehr gezielt entschieden, was wir anbieten und vorrätig halten. Jedem, der schon einmal bei uns war, wird aufgefallen sein, dass wir nur ein einziges Regalbrett mit Spirituosen als Back Bar haben. Aufgrund des Platzmangels haben wir also auch unsere Spirituosenauswahl reduziert. Für jede Kategorie wurde ein würdiger Vertreter ausgewählt. In kleinen Bars wie unserer gilt: Je mehr man hat, desto mehr Staub sammelt sich darauf. Die kleinere Auswahl lässt unser Team eine bessere Übersicht über das behalten, was wir ausschenken. Zudem können wir durch diesen Ansatz schneller auf Veränderungen reagieren und ohne Aufwand spannende neue Produkte einführen, hinter denen wir wirklich stehen.
Ich denke, unsere Branche wird minimalistische Ansätze auf ganz unterschiedliche Weisen weiterverfolgen. Indem du dich von einem Element befreist, kannst Du Dich auf ein anderes fokussieren. So kannst Du Dich beispielsweise mehr auf Deine Gäste und den Service konzentrieren, wenn Du die Drinks bereits in Batches vorbereitet hast.
DER GESCHMACK IST ENTSCHEIDEND
Minimalistische Konzepte inspirieren mich immer wieder. Ich finde es wundervoll, wenn Dinge nach höchster Präzision funktionieren. Diesem Prinzip folge ich auch in der Barbranche: Alles kann auf das Wesentliche reduziert werden. Durch die Dekonstruktion wird der Kern der Dinge offenbart und die besten Möglichkeiten eröffnet. Wenn Du Dich auf das Wesentliche beschränkst, kannst Du die Details wirklich perfektionieren und das bringt Dich dazu, kreativ zu werden.
Im Three Sheets kreieren wir schnörkellose Drinks, die toll schmecken. So einfach ist das! Beim Entwickeln neuer Drinks stellen wir uns oft die Frage, was wir selbst gerne trinken würden. Welche Drinks würden wir bestellen und wirklich genießen?
Mit diesen Fragen im Bewusstsein sollte ein einziges Aroma im Vordergrund stehen. Wir kreieren eine einzelne Zutat, wie zum Beispiel einen Cordial, und forschen von dieser Zutat ausgehend weiter. Dieser Prozess erlaubt Dir, Dich wirklich auf die einzelnen Bestandteile zu konzentrieren. Indem Du die Rezepte auf drei bis vier Zutaten beschränkst, eignest Du Dir ein durchdachtes Vorgehen an – jede Zutat hat eine präzise Aufgabe und bereichert so den Drink.
Ein Cocktail braucht keine zwölf Zutaten, um interessant zu sein. Die erfolgreichsten Drinks haben meist einen simplen Aufbau, weil so der Fokus auf die zentralen Zutaten gelenkt wird und der Bartender dadurch gezwungen ist, das meiste aus ihnen herauszuholen.
Garnituren sollten genauso einfach gehalten werden. Wenn sie den Drink nicht in irgendeiner Form bereichern, sind sie überflüssig. Auch eine ansprechende Optik ist natürlich eine Bereicherung – hierfür nutzen wir farbenfrohe Blüten.

EINE ÜBERSICHTLICHE KARTE
Die Getränkekarte unserer Bar hat sich nie vollkommen geändert. Vielleicht wird ein- oder zweimal im Monat ein Drink ausgetauscht, wir haben aber für neue Drinks keine Abgabefristen oder fixe Richtlinien. Die Veränderung ist ein organischer Prozess und nur, wenn wir alle mit einem neuen Produkt zufrieden sind, wird es auf die Karte gesetzt.
Einige unserer Eröffnungsdrinks sind sogar immer noch auf unserer Getränkekarte. Indem wir das Wesentliche an die erste Stelle setzen, sind wir wählerischer in der Entscheidung, was bleiben kann und was ausgetauscht werden muss. Auch Saisonalität beeinflusst unsere Karte und das übersichtliche Angebot gibt uns die notwendige Flexibilität, das umzusetzen.
Wir haben nur neun Drinks auf unserer Karte. Es werden nur vier Zutaten pro Drink gelistet, sodass die Karte nicht nur leicht zu lesen, sondern auch zu verstehen ist und die Entscheidungsfindung vereinfacht wird. Warum sollte man diese Dinge verkomplizieren?
SERVICE MIT HERZ
Für den Service gefällt mir die Vorstellung einer Wohnzimmeratmosphäre. Das heißt: Behandle die Menschen so, als wären sie bei Dir zu Hause zu Gast. Direkt, warmherzig und freundlich. Nichts, was übertrieben oder gestellt wirkt.
Dieser Ansatz bringt warmherzigere, zugänglichere Servicemitarbeiter hervor, da dem Service die Freiheit gewährt wird, sich wirklich um die Gäste zu kümmern. Zugänglicher Service gibt Gästen ein gutes Gefühl, lässt sie eine noch schönere Zeit verbringen und hoffentlich auch wiederkommen.
Auf ganz natürliche Weise veränderst Du so das Erlebnis Deiner Gäste, obwohl sie es selbst vermutlich gar nicht bemerken. Wahrnehmen werden sie es trotzdem. Das ist die Schönheit des Einfachen.
DIESES REZEPT MUSST DU EINFACH AUSPROBIEREN

FORAGED MARTINI
- 40 ml Tanqueray Gin
- 15 ml trockener Wermut
- 5 ml Brennnessel-Cordial
ZUBEREITUNG
Alle Zutaten mit Eiswürfeln in einem Rührglas vermischen.
Doppelt in ein Nick & Nora-Glas abseihen.
Mit einer Zitronenzeste und einer Blüte garnieren.
(Alkoholgehalt 16,87g)
ROSEYS TIPPS, UM DIE DINGE EINFACH ZU HALTEN
- Zutaten sollten bei der Cocktailentwicklung auf ein Minimum begrenzt werden. Fokussier Dich auf die Balance!
- Bei der Entwicklung startest Du am besten mit einem Basisaroma und denkst von dort an weiter.
- Eine einfache Garnitur, wie eine Blüte, bringt Farbe in den Drink und verstärkt die optische Wirkung.
- Getränkekarten sollten sich nicht wie ein Roman lesen. Eine übersichtliche Cocktailauswahl ist völlig ausreichend.
- Geradliniger, warmherziger und nahbarer Service ist der Schlüssel zum Erfolg.