WER STECKT HINTER DEM FASS? – EIN INTERVIEW MIT EMMA WALKER

DER WEG ZU JOHNNIE WALKER
Die Frage muss sein: Bist du mit den Walkers verwandt?
Unglaublich, aber wahr: mein Nachname ist reiner Zufall! Auch wenn mein Vater zu seiner Zeit in der schottischen Armee „Whisky“ genannt wurde und es noch ein paar andere Zufälle gibt, die ich etwas befremdlich finde, nein, ich trage nur zufällig den Namen. Ob es Schicksal war? Vielleicht.
Wie bist du dazu gekommen, in der Herstellung von Whisky zu arbeiten?
Kunst und Wissenschaft waren schon immer interessant für mich, aber schon früh in der Schule stellte ich fest, dass meine eigentliche Leidenschaft die Chemie ist. Ich habe den Unterrichtsstoff nahezu in mich aufgesogen und echt gerne für das Fach gelernt. Es war also ziemlich klar, was ich einmal studieren werde und ich war völlig aus dem Häuschen, als ich die Chance bekam, auch noch meinen Doktortitel zu erlangen.
Wie bist du in der Destillerie gelandet?
Nach der Uni arbeitete ich als Prozesschemikerin, gleichzeitig wuchs jedoch mein Interesse an der Getränkeindustrie, denn ich habe schon seit meiner Kindheit eine Leidenschaft für Aromen und die Wissenschaft dahinter. 2010 nahm ich eine Stelle im Technical Centre von Diageo in Menstrie an und das habe ich nie bereut.
Wie bist du zu Johnnie Walker gekommen?
Als ich in Menstrie arbeitete, war ich fasziniert von den großartigen Marken und der Unternehmensfamilie Diageo. Die Arbeit inspirierte mich und ich dachte mir, dass dies der richtige Ort sei, an dem ich mein ganzes Potenzial ausschöpfen könnte, um etwas Spannendes zu kreieren. Es ist immer noch eine großartige Entscheidung, denn ich habe es mit ca. 10 Millionen Fässern heranreifendem Scotch zu tun, um daraus die Whiskys von Johnny Walker herzustellen. Genau das ist es, was mich absolut begeistert!
Wenn du nicht in der Whiskybranche gelandet wärst, was würdest du wohl stattdessen tun?
Dann wäre ich wahrscheinlich noch in der Pharmazie tätig. Viele meiner Freunde sind noch in dieser Branche und allzu weit hätte ich mich von der Chemie wohl nicht entfernt.

DER GEIST DER WISSENSCHAFT
Wie kommt man von der Chemie zum Whisky?
Es gibt tatsächlich viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Arbeitsansätze zwischen diesen beiden Begriffen. Der wissenschaftliche Hintergrund ist ein wichtiger Teil, der mir hilft, die Prozesse der Whiskyproduktion zu verstehen. Er spielt eine große Rolle für mich als Teil des Blending-Teams. Natürlich gibt es auch wesentliche Unterschiede: im Gegensatz zu jetzt, konnte ich früher als Prozesschemikerin natürlich keine Erzeugnisse probieren, riechen oder testen!
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Kein Tag gleich dem anderen und das ist genau das, was mir an meinem Job am besten gefällt. Der Tagesablauf hängt davon ab, woran wir gerade arbeiten, aber die Riechprobe von Whiskys ist immer dabei. Sensorische Checks und Tests spielen ebenso tagtäglich eine Rolle. Ich habe bereits in verschiedenen Bereichen der Whiskyherstellung gearbeitet und dabei mein Verständnis darüber weiterentwickeln können, wie das Aroma sich bei der Fermentierung, Destillierung und Reifung entwickelt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich einen tieferen Einblick in die einzelnen Abschnitte des Prozesses erlangen durfte.
TEAMARBEIT
Was ist das Wichtigste, das du von Master Blender Jim Beveridge gelernt hast?
Die Arbeit mit Jim ist fantastisch. Ich habe nun ein intensiveres Verständnis von Aromen und weiß besser Bescheid, wie man während des Produktionsprozesses mit ihnen arbeitet. Die Entwicklung dieses tieferen Verständnisses und der Wertschätzung dafür, woher Aromen stammen, wie sie sich entwickeln und wie man sie miteinander verbinden kann, ist für unseren Whisky-Herstellungsprozess von großer Bedeutung.
Was hat dich am meisten überrascht?
Was ich bei der Arbeit mit Jim und dem größten Teil des Blending-Teams am wenigsten erwartet hätte, ist, dass man fortwährend voneinander lernt. Man wird Teil einer wunderbaren Gruppe von Menschen mit viel Branchenerfahrung, was zunächst etwas entmutigt. Aber alle sind gleichermaßen neugierig und wollen auch von neuen Teammitgliedern etwas lernen. So bekomme ich täglich das Gefühl, dass ich bereits seit dem ersten Tag meinen Beitrag für das große Ganze leiste.

WALKER EIN PARADIES
Gerät man aufgrund seines Rufs und seiner Geschichte unter Druck, wenn man bei Johnnie Walker arbeitet?
Bis zu einem bestimmen Punkt mit Sicherheit. Aber ehrlich gesagt bin ich einfach nur glücklich darüber, dass ich einen Job und eine Branche gefunden habe, in der ich tun kann, was ich am meisten liebe. Johnnie Walker beschäftigt seit fast 200 Jahren Master Blender. Es ist also viel Erfahrung vorhanden, aus der man immer wieder lernen kann. Dieses Erbe in Kombination mit der Leidenschaft, Neues zu lernen und neue Produktionstechniken und Innovationen anzunehmen, sorgt dafür, dass wir wachsen und uns weiterentwickeln können.
Was gefällt dir am besten bei Johnnie Walker?
Die Arbeit in einem kleinen Team, in dem jeder von jedem abhängig ist und voneinander lernt, das macht mir am meisten Spaß. Die Herstellung eines großartigen Scotch ist echte Teamarbeit. Wir arbeiten eng mit den Kollegen aus der Destillation, Prozessentwicklung und Reifung zusammen, um die Aromen des Whiskys zu verstehen und die Aromenpalette zu erweitern, die uns als Team zur Verfügung steht. Ich bin ein Fan von Innovationen und arbeite gerne an der Schaffung neuer Spirituosen, bei denen bestimmte Aromen im Fokus stehen.
Und wie sieht der Prozess zur Entwicklung eines neuen Whiskys aus?
Wenn wir an Innovationsprojekten arbeiten, liegt der Schwerpunkt auf dem Aroma. Wir berücksichtigen aber auch immer stärker die Gelegenheit oder den Anlass für einen Drink. Einer der wichtigsten Parameter beim Testen und Betrachten neuer Spirituosen ist der Zeitpunkt, zu dem sie genossen werden sollen. Wir schauen uns also einzelne Aromen an, aber immer häufiger testen wir auch in Form von Mixgetränken und Cocktails. Ich liebe die Vielseitigkeit des Whiskys und die Tiefe der enthaltenen Aromen, denn es gibt so viele Nuancen zu entdecken, mit denen ein Whisky an bestimmte Anlässe und unterschiedliche Geschmäcker angepasst werden kann.
FRAUEN IN DER WELT DES WHISKYS
Wie fühlst du dich als Frau in einer von Männern dominierten Branche?
Ich werde das oft gefragt, aber ehrlich gesagt ist das bei mir gar nicht der Fall. In unserem Team bei Diageo arbeiten genauso viele Frauen wie Männer und bei Bell’s und Buchanan’s sind auch weibliche Master Blender am Werk. Dieses Verhältnis herrscht auch im Destillerie-Management und in verschiedenen Destillerien in Schottland sind immer mehr weibliche Mitarbeiter und Ingenieure tätig.
Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft des Whiskys aus?
Die Zukunft des Whiskys liegt in der Suche nach neuen Aromen sowie neuen Momenten und Anlässen, zu denen Menschen zusammenkommen. Ich hoffe also, dass sich in der Zukunft alles um großartige Aromen, den erstklassigen Geschmack und die überragende Qualität dreht, die unsere Whiskys ausmachen und Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen.
Die Wahrnehmung von Scotch hat sich geändert und er wird längst nicht mehr nur von älteren Männern getrunken. Dieses Klischee gehört der Vergangenheit an. Ich freue mich sehr, Teil eines so geschichtsträchtigen Handwerks zu sein, das aber dennoch in der Lage ist, zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Die Whiskybranche durchlebt gerade spannende Zeiten.

UND ZU GUTER LETZT...
Welches Album hörst du aktuell?
Cocoa Sugar von Young Fathers, eine fantastische Band aus Edinburgh.
Lieblingslokal für einen Johnnie?
Letztlich geht es weniger um den Ort, sondern eher um die Menschen, mit denen man gemeinsam einen Drink genießt. Aber wenn ich mich auf einen Ort festlegen muss, dann wäre es meine Lieblingsbar The Last Word Saloon in Edinburghs Vorort Stockbridge. Das ist eine kleine Bar mit entspanntem Ambiente, einer soliden Whisky-Auswahl und ausgezeichneten Cocktails – auf jeden Fall einen Besuch wert!