Keep Walking Schriftzug

DER BAR CONVENT BERLIN 2022

Endlich war es wieder so weit: Vom 10. bis 12. Oktober traf sich die Bar-Szene auf dem Berliner Messegelände zum 16. Bar Convent Berlin. Die Diageo Bar Academy war natürlich mit vor Ort, begleitete das bunte Treiben live bei Instagram und hat für alle Daheimgebliebenen das Wichtigste notiert. Ein Recap in fünf Themenblöcken. 

DAS GROßE WIEDERSEHEN

Es ging hoch her. Nicht nur am Stand der Johnnie Walker Highballs, wo auch die Diageo Bar Academy ihre Zelte aufschlug, sondern auf dem ganzen Messegelände. Mit sechs gefüllten Hallen hatte sich die Ausstellungsfläche im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, 12.505 Besucher:innen aus 88 Ländern sowie 533 Aussteller:innen aus 44 Ländern reisten an. Der „Keep Walking“-Schriftzug über dem Diageo-Stand durfte also durchaus wortwörtlich verstanden werden. 

Nach langer Zeit der Entbehrungen und noch längst nicht überwundener Krisen entwickelte sich der BCB 2022 zum herbeigesehnten Get-together. Die Branche kam sich wieder näher, alte Bekannte trafen sich, neue Kontakte taten sich auf. Es wurde verköstigt, es wurde referiert, es wurde sich verabredet – nicht zuletzt zu den zahlreichen Gastschichten am Abend, die viele Gesichter des nächsten Tages zeichnen sollten. Spuren des Glücks. 

So sinnierten auch wir topfit und frohen Gemüts mit unseren Gesprächspartner:innen bei einem „Johnnie & Ginger“ am Diageo-Stand über Produktneuheiten, den wachsenden Fachkräftemangel, effiziente Social Media-Nutzung, Tipps für eine nachhaltigere Bar und natürlich die Top-Trends für das kommende Jahr. 

PRODUKTE: WAS KOMMT? WAS GEHT? WAS BLEIBT?

Von Austern infused Vodka über Bourbon Banana Shakes bis hin zu Mikrodestillaten quer durch den Gewürzgarten gab es auf dem BCB wieder einiges zu entdecken. Auffällig war die Vielzahl an Spirituosen aus Mexiko, bei denen sich neben den Agaven- auch die Maisdestillate zunehmend zu etablieren scheinen. 

Einhellige Meinung bei den Diageo Brand Ambassadors Simone Reis, Andy Walch und Frank Thelen: Die alkoholfreien bzw. alkoholreduzierten Destillate sind auf dem besten Weg zum Standard. Das Angebot auf der Messe bestätigte das, wenngleich Frank bezweifelt, „dass eine Bar komplett alkoholfrei funktionieren kann und auch will.“ Geht es nach unseren Expert:innen, ist eine strikte Trennung bei guten Produkten aber ohnehin überholt, es sollte einfach experimentiert werden! 

Das Thema Bottled Cocktails bleibt hinsichtlich des Fachkräftemangels, der Haltbarmachung und des anfallenden Verpackungsmaterials weiter spannend zu beobachten, meint Simone mit Verweis auf ein etwaiges Pfandsystem. Frank sieht darin vor allem ein interessantes Zusatzbusiness, um die eigene Bar auf Veranstaltungen ins Spiel zu bringen. Bottled Cocktails gehören sicher zu den positivsten Entwicklungen aus der Pandemie, müssen sich langfristig aber erst noch beweisen. 

FACHKRÄFTE: WOMIT LOCKEN? WEN NEHMEN? UND VOR ALLEM WO FINDEN?

Die Expert:innen-Dichte auf dem BCB hätte über den derzeitigen Mangel an Fachkräften in der Branche leicht hinwegtäuschen können, doch in Unterhaltungen mit den Barmanager:innen vor Ort wurde klar: Gutes Personal ist durch die unsichere Arbeitslage in Zeiten drohender Shutdowns nachhaltig rar geworden, die Situation auf dem Arbeitsmarkt angespannt. 

„Wenn Du in der Gastro arbeitest, hast Du eigentlich nicht mehr viel Leben außen rum“, gibt Simone zu Bedenken. Bei allem Spaß, den der Job bereitet, sei die Work-Life-Balance deshalb die wohl wichtigste Stellschraube für Arbeitgebende bei der Personalsuche. 

Unsere Expert:innen raten dazu, bei Bewerber:innen vor allem auf „die Passion und den Spaß mit den Leuten“ zu achten – „den Rest kann man denen beibringen“. Und Frank ergänzt, dass „Bartender:innen einen gewissen Inszenierungscharakter haben [sollten]“. Abseits von Jobportalen regt er deshalb an, auch auf Messen, Wettbewerben und anderen Bar Events nach den richtigen Leuten Ausschau zu halten, sich ein Netzwerk aufzubauen und es intakt zu halten. 

SOCIAL MEDIA: WIE KÖNNEN BARS UND BARTENDER:INNEN DAVON PROFITIEREN?

Dass die Pflege des eigenen Netzwerks auch digital stattfindet, war auf dem BCB natürlich nicht zu übersehen. In allen Ecken der Messe-Hallen wurde fleißig geselfiet, gesharet und gefollowt. Deshalb wollten wir von unseren Expert:innen wissen, wie sich die Online-Kanäle von Bars und Barleuten professionalisieren lassen. Worauf kommt es an? 

Andy hält es für essenziell, Content besonders regelmäßig zu posten und diesen auf die eigenen Follower:innen abzustimmen, um sie fest an sich zu binden. Auch Frank rät zum „roten Faden“ sowie „Authentizität“ und setzt lieber auf treue Follower:innen, mit denen Interaktionen möglich sind, als auf teilnahmslose Gefolgschaft. Klasse statt Masse lautet die Devise. Zudem sollten die eigenen Alleinstellungsmerkmale stets herausgearbeitet werden und Bilder und Videos immer von hoher Qualität sein. 

„[Als Gastronomie] kannst Du Deinen Kundenkreis erweitern – über die Stadtgrenze […] hinweg“, für Bartender:innen fungieren die sozialen Medien aber auch „wie so eine Arbeitsbörse“, spricht Frank aus eigener Erfahrung. Andy kann dem beipflichten, auch er hat in seinem Werdegang von Social Media-Kontakten profitiert. 

Laut Frank sind für die eigene Marke vor allem Kooperationen äußerst lukrativ, er gibt aber auch zu Bedenken: „[als Bartender:in] sollte man sich 2–3 Partner aussuchen, langfristige Kooperationen eingehen – Stichwort Authentizität.“ Und was es unbedingt zu vermeiden gilt, sind aufmerksamkeitsheischende Polarisierungen, da diese gerne mal nach hinten losgehen. Zustimmendes Nicken in der Runde. 

NACHHALTIGKEIT: WAS TUN? WO ANFANGEN? WO AUFHÖREN?

Nach dem Inkrafttreten des EU-weiten Verkaufsverbots von Plastikstrohhalmen Mitte 2021 dürften die Restbestände in den meisten Bars mittlerweile aufgebraucht sein. Keinesfalls aber dürfen die Nachhaltigkeitsbemühungen an diesem Punkt stoppen. Der Einsatz von recyclingfähigem Material und der schonende Umgang mit Ressourcenwar auf dem BCB noch nie so präsent wie in diesem Jahr, hat aber freilich noch Luft nach oben – wie fast überall in der Branche. 

Nichtsdestotrotz sieht Andy die Bars aber vergleichsweise gut aufgestellt und auch Frank appelliert zuallererst an den „gesunden Menschenverstand“, Nachhaltigkeit in allen (!) Bereichen des alltäglichen Lebens zu integrieren und den eigenen Konsum zu hinterfragen. So empfiehlt er konkret für Bars, die eigenen Produkte auf regionale Verfügbarkeit zu überprüfen und ggf. zu ersetzen. 

Simone legt indes nahe, die Verwendung von Gerätschaften und einzelner Zutaten gut zu durchdenken und den Arbeitsplatz entsprechend vorzubereiten. „Wenn man […] zum Beispiel Zitronensaft auspresst, können die Rückstände im Sieb getrocknet werden und später als Powder oben an den Glasrand wandern, um die ganze Frucht zu verwenden und möglichst wenig Abfall zu produzieren.“ So wird aus ökologischer gleichzeitig auch ökonomische Nachhaltigkeit. 

Ob solche Bemühungen vor dem Tresen wertgeschätzt werden, da gehen die Meinungen etwas auseinander. Während Simone einen ganz klaren Trend ausmacht und erlebt, dass sich Gäst:innen über nachhaltige Produkte freuen, schränkt Frank ein, dass dies seiner Erfahrung nach meist nur bei den offensichtlichsten Dingen wie Strohhalm-Alternativen der Fall ist. Letzteres führt er auf den erhaltenswerten Daseins-Charakter einer Bar als Ort zurück, an dem die Leute „auch mal abschalten müssen“. Dass eine Bar auch nachhaltig sein kann, ohne dies zum Zentrum ihrer Außenkommunikation zu erklären, da sind sich alle einig. 

TOP-TRENDS: WAS ERWARTET UNS IN 2023?

Besonders schön war zu sehen, dass die heiß diskutierteste Frage auf dem diesjährigen BCB nicht mehr „Wann geht es wieder normal weiter?“ lautete, sondern es endlich wieder hieß: Was wird das nächste große Ding? Worauf dürfen wir uns im Jahr 2023 freuen? Worauf sollten wir alle vorbereitet sein? 

Andy sieht das Thema Nachhaltigkeit und in dem Zusammenhang auch das klassische Handwerk im Fokus, was er auf einen immer bewussteren Konsum der Gäst:innen zurückführt. Simone vermutet, dass die Aperitifs nun auch im deutschsprachigen Raum ihren vorläufigen Peak erleben dürften, und alle prognostizieren einen zunehmenden Run auf Tequila, über den unter unseren Gesprächspartner:innen weitestgehend Einigkeit herrscht. 

Mit Blick auf sein Highball-Glas erweitert Frank die möglichen Trend-Getränke zudem um 60er-Jahre-Classics wie Scotch Sodas und Gin Sodas. Angesichts der vielen neuen Apparaturen und technischen Verfahren aus den letzten Jahren, würde er sich für 2023 aber freuen, „wenn das Augenmerk wieder mehr auf das Zwischenmenschliche gelegt werden würde.“ 

Diesem wunderschönen Schlusswort wiederum, bleibt kaum etwas hinzuzufügen. Mit seiner Unbeschwertheit, seiner ausgelassenen Stimmung und vor allem seinen Community-Feeling legte der diesjährige Bar Convent einen Grundstein für das große Comeback des Miteinanders. 

Wir bedanken uns bei unseren Gesprächspartner:innen und appellieren insbesondere an alle, die die Barmesse in diesem Jahr verpasst haben: nächstes Jahr geht es weiter. Vielleicht ist das sogar die wichtigste Erkenntnis vom BCB 2022. Es geht immer weiter. In diesem Sinne: Keep Walking.